Low-Cost Feinstaubmessung Teil 1

Die Wiesbadener Luft

ist nicht gerade die Beste unter Deutschlands Städten und einer Kurstadt sicherlich nicht angemessen. Seit 2001 überschreiten die durchschnittlichen NO_x Jahresbelastungen regelmäßig die zulässigen EU-Grenzwerte. Anfang 2016 begannen wir, mit der Messung und Visualisierung der Luftqualität im Wiesbaden zu experimentieren.

Zum The Small Art Festival im April 2016 bauten wir die AirQ-Ampel, die direkt am Straßenrand die lokal gemessenen Feinstaubwerte anzeigt

und in einem Workshop bastelten wir Feinstaubsensoren in Form einer Gasmaske, die den Staubgehalt der eingeatmeten Luft durch farbige LEDs visualisiert.

Als Weihnachtsaktion haben wir das Thema Luftqualität dann im selben Jahr noch einmal aufgegriffen und vor dem Hauptbahnhof eine etwas andere Art von Weihnachtsbeleuchtung inszeniert.

Für NO_xmas haben wir die große Platane am Wiesbadener Hauptbahnhof in eine überdimensionale Stickstoffdioxid-Anzeige verwandelt, die rot pulsiert, wenn die aktuellen Messwerte über dem EU-Grenzwert liegen.

Luftqualität Messmethoden

Die Messwerte für NO_xmas und den Stadtluftanzeiger stammen von den offiziellen Messstationen der Landesämter und des Umweltbundesamtes. Das sind technisch sehr aufwändige Stationen, die genau kalibriert sind und hohe Anforderungen an Wartung, Betrieb und Auswertung der Daten stellen. Dafür sind deren Daten dann sehr genau, reproduzierbar und untereinander vergleichbar.

Die offizielle Messmethode für Feinstaub beispielsweise, ist in DIN EN 12341 festgeschrieben als

Gravimetrisches Standardmessverfahren für die Bestimmung der PM₁₀ oder PM_2,5 Massenkonzentration des Schwebstaubes. 

Dabei werden die aus der Luft extrahierten Partikel nach Größe und Beschaffenheit sortiert, gewogen und als Massekonzentration in μg/m³ angegeben.

Die günstigen Feinstaub Sensoren, die wir verwenden, messen dagegen lediglich auf optischem Weg die Anzahl der Partikel in verschiedenen Größen und berechnen daraus eine Massekonzentration anhand von Erfahrungswerten und mathematischen Modellen. Die Zusammensetzung der Partikel wird dabei nicht berücksichtigt, ebensowenig wie das unterschiedliche Gewicht der Partikel aufgrund ihrer Zusammensetzung oder der Luftfeuchtigkeit.

Citizen-Science und Crowd-Sensing

Diese günstigen Sensoren können und sollen daher nicht mit den offiziellen Messstationen in Konkurrenz treten, sondern sie falls möglich ergänzen. Sie haben den Vorteil, dass man Ihrer viele einsetzen und damit ein dichtes, mobiles Netzwerk von Sensoren schaffen kann. Auf diese Weise können z.b. die relative Verteilung von Schadstoffen in der Stadt in Form einer Karte visualisiert und über die Zeit verfolgt werden. Das OK Lab Stuttgart macht mit dem Projekt Luftdaten.info genau das und hat weltweit bereits nahezu 5000 Sensoren im Einsatz.

Wir wollten in einem Experiment ergründen, wie genau diese Sensoren mit den offiziellen Messwerten übereinstimmen und ob sich eine rudimentäre Kalibrierung der Sensoren vornehmen lässt. Dazu haben wir mit freundlicher Erlaubnis des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie eine Auswahl der Sensoren auf der Messstation Wiesbaden-Ringkirche angebracht und einige Monate lang deren Messwerte gesammelt.

Die Feinstaub Sensoren

Zunächst haben wir 6 Sensoren verschiedener Hersteller ausgewählt. Alle basieren auf der laserbasierten Streulichtmethode und verfügen über einen kleinen Lüfter, einen Halbleiterlaser und einen hochempfindlichen Lichtdetektor sowie einen Microcontroller.

Interessanterweise sind der Grundaufbau, die physischen Schnittstellen und die Datenprotokolle herstellerübergreifend sehr ähnlich und unterscheiden sich nur in den Datenformaten. Die Sensoren benötigen zum Betrieb 5 Volt, die Kommunikation erfolgt digital über eine UART-Schnittstelle mit 3.3 Volt. Alle Sensoren ermöglichen einen aktiven Betriebsmodus, bei dem der Sensor kontinuierlich Daten sendet und einen passiven Modus, bei dem der Sensor auf ein Kommando hin eine Messung durchführt und die Daten sendet. Außerdem verfügen alle Sensoren über einen Sleep-Modus, der den Lüfter und die Laserdiode ausschaltet und somit den Energieverbrauch senkt.

Die meisten Hersteller sind chinesische Unternehmen und besitzen keine Distributoren für Europa/Deutschland.

Plantower:

die chinesische Firma fertigt eine ganze Reihe von Feinstaubsensoren, die als Einzige im Testfeld neben den Werten für PM2.5 und PM10 auf die für PM1.0 liefern und außerdem zu der Massekonzentration auch die Anzahl der Partikel pro Luftvolumen ausgeben. Derzeit gibt es keinen europäischen Distributor, so dass die Sensoren direkt in China bestellt werden müssen.

• Plantower PMS1003 (Datenblatt)
• Plantower PMS3003 (Datenblatt)
• Plantower PMS7003 (Datenblatt)

Nova Fitness:

ebenfalls aus China, haben mittlerweile einen deutschen Vertrieb und können außerdem über Eckstein bezogen werden. Sie liefern lediglich Werte für PM2.5 und PM10.

• Nova Fitness SDS011 (Datenblatt, Protokoll)
• Nova Fitness SDS018 (Datenblatt, Protokoll)

Honeywell:

ist der einzige US-Hersteller im Testfeld und hat einen recht günstigen Sensor, der über Mouser vertrieben wird. Er liefert ebenfalls nur Werte für PM2.5 und PM10.

• Honeywell HPMA115S0 (Datenblatt)

Der Testaufbau

Basis unserer Messstation ist ein RaspberryPi 3. Wir haben die Sensoren jeweils mit einem USB zu UART Konverter ausgestattet, der für die Stromversorgung und die Verbindung zum Raspberry über einen USB-Hub sorgt. Außerdem verfügt das Setup über einen TP-Link Router mit Ethernet Anschluss und einen LTE Stick zur Anbindung an unser Backend.

Das Ganze würde weitgehend wettergeschützt auf dem Dach der HLNUG Messstation in unmittelbarer Nähe des Feinstaub-Messeinlasses platziert.

Sichtung der Daten

Nach einigen Monaten waren genügend Daten gesammelt, um erste Visualisierungen und Analysen vorzunehmen.

Wir haben uns dazu eine einfache Auswertungs-Software in Python geschrieben, mit pandas für die Aufbereitung der Daten, scikit-learn für die Analyse und matplotlib für die Visualisierung.

Die offiziellen Messwerte der Wiesbadener Ringkirche haben wir  auf der Website des HLNUG heruntergeladen. Sie sind im 30 Minuten Takt verfügbar, daher haben wir unsere Messungen ebenfalls auf diese Frequenz umgerechnet, indem wir den halbstündigen Median ermitteln.

Hier beispielhaft die PM2.5 Messungen des SDS011 über einen den Monat April 2018 im Vergleich zu den offiziellen Messwerten.  Man erkennt bereits visuell eine Korrelation zwischen den beiden Kurven:

Und hier hereingezoomt auf einen Zeitraum von 10 Tagen:

Wir können das Ganze auch als Streudiagramm visualisieren, bei dem jeweils die offiziellen Messwerte und die Sensorwerte als Wertepaare auf einem Koordinatensystem aufgetragen werden. Hier sind die offiziellen Werte auf der X-Achse und die entsprechenden Sensor-Messwerte als Y-Koordinate aufgetragen.

Unsere Messungen zeigen eine recht breite Streuung, während bei perfekter Übereinstimmung die Punkte in einer diagonalen Linie angeordnet wären.

Im nächsten Post werden wir versuchen, mittels einfacher Analyse- und Machine-Learning Verfahren die Qualität der Daten zu beurteilen und zu verbessern.